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eCH-0272: Der neue Standard für den verantwortungsvollen KI-Einsatz in der öffentlichen Verwaltung

  • Autorenbild: Sandro Parissenti
    Sandro Parissenti
  • 24. Juni
  • 3 Min. Lesezeit

Künstliche Intelligenz ist längst nicht mehr nur ein Trend, sondern erreicht zunehmend auch die öffentliche Verwaltung. Ob Chatbots, die Bürgeranfragen beantworten, Prognosemodelle für den Verkehr oder KI-gestützte Entscheidungshilfen im Steuerbereich – die Möglichkeiten scheinen grenzenlos. Doch gerade dort, wo staatliches Handeln auf Menschen trifft, stellt sich unweigerlich die Frage: Wie gelingt ein verantwortungsvoller und rechtskonformer Einsatz dieser Technologien?

Genau hier setzt der neue Standard eCH-0272 – Transparenz, Erklärbarkeit und Risiken von KI-Systemen an. Er wurde im April 2025 vom Verein eCH verabschiedet und bietet erstmals einen verbindlichen Orientierungsrahmen für den Einsatz von KI-Systemen in Bund, Kantonen und Gemeinden.


Warum braucht es diesen Standard?

Die Einführung von KI-Systemen bringt nicht nur technische, sondern auch ethische, rechtliche und gesellschaftliche Herausforderungen mit sich. Entscheidungen, die früher von Menschen getroffen wurden, werden nun teilweise durch Maschinen vorbereitet oder unterstützt. Das kann sinnvoll und effizient sein – birgt aber auch Risiken.

Was passiert, wenn ein Algorithmus diskriminiert? Wer haftet bei Fehlentscheiden? Und wie können Bürgerinnen und Bürger überhaupt nachvollziehen, wie ein Entscheid zustande gekommen ist?

Der Standard eCH-0272 liefert darauf Antworten. Er definiert klare Anforderungen an Transparenz, Erklärbarkeit und Rechenschaftspflicht – und stellt sicher, dass Grundrechte und Datenschutz auch im digitalen Verwaltungshandeln gewahrt bleiben.



Was ist eCH-0272 konkret?

eCH-0272 ist ein konzeptioneller Standard für Organisationen, die KI-Systeme evaluieren, betreiben oder regulieren. Er enthält 27 Anforderungen (A1–A27), die entlang des gesamten Lebenszyklus eines KI-Systems formuliert sind – von der Initialisierung über den Betrieb bis zur Ausserbetriebnahme.

Der Standard beschreibt, wie die Risiken eines KI-Systems eingeschätzt, dokumentiert und kontrolliert werden sollen. Er zeigt auf, welche Massnahmen nötig sind, um Fairness sicherzustellen, wie Datenschutz-Folgenabschätzungen durchgeführt werden und wie Erklärbarkeit technisch wie organisatorisch umgesetzt werden kann.

Besonders hilfreich: Der Standard grenzt sich klar von generativen Cloud-KI-Systemen wie ChatGPT oder Google Bard ab. Er konzentriert sich auf lokal betriebene, vortrainierte KI-Systeme, die sich kontrolliert in bestehende Prozesse integrieren lassen – genau der Bereich, in dem viele Verwaltungen erste Schritte unternehmen.


Ein Blick in die Praxis: Wie eCH-0272 angewendet werden kann

Der Standard enthält konkrete Anwendungsszenarien, die zeigen, wie er in der Verwaltungspraxis eingesetzt werden kann. Ein Beispiel: Ein Chatbot soll einfache Fragen zu Steuern oder Wohnsitzwechsel beantworten. Laut eCH-0272 ist hier nicht nur auf Datenschutz zu achten, sondern auch auf klare Kennzeichnung automatisierter Antworten und eine Feedbackmöglichkeit für die Nutzenden.

Ein weiteres Beispiel: Ein KI-System unterstützt die Vorprüfung von Steuererklärungen. Hier sind laut Standard umfangreiche Dokumentationen, Auditmechanismen und die Möglichkeit zur menschlichen Kontrolle („human-in-the-loop“) zwingend notwendig – insbesondere, wenn finanzielle oder rechtliche Folgen für Bürgerinnen und Bürger entstehen.

Solche Fallbeispiele helfen Verwaltungen dabei, sich nicht in technischen Detailfragen zu verlieren, sondern konkrete Anforderungen an Organisation, Dokumentation und Governance abzuleiten.


Was bedeutet das für Verwaltungen konkret?

Für viele Gemeinden und Kantone stellt sich nicht mehr die Frage, ob KI-Systeme zum Einsatz kommen, sondern wie dies auf rechtssichere und gesellschaftlich vertrauenswürdige Weise gelingen kann. eCH-0272 bietet dafür die passende Grundlage – nicht als reiner Technologiestandard, sondern als verbindliches Rahmenwerk mit Bezug zur Schweizer Rechtsordnung.

Verwaltungen erhalten mit diesem Standard eine Anleitung, wie sie KI-Systeme evaluieren, Pilotprojekte absichern und produktive Anwendungen verantwortungsvoll gestalten können. Besonders hilfreich ist dabei die integrierte Checkliste, mit der sich Projekte auf ihre Risikoklasse hin überprüfen lassen – ein ideales Instrument für Projektleitungen, Rechtsdienste und Digitalverantwortliche.


Fazit: Wer KI in der Verwaltung einführen will, kommt an eCH-0272 nicht vorbei

Der Standard eCH-0272 schafft etwas, das bisher gefehlt hat: einen praxistauglichen, risikobasierten Rahmen für den Einsatz von KI im öffentlichen Sektor. Er macht klar, dass Technologie nicht im luftleeren Raum entsteht – sondern immer im Dienst der Menschen stehen muss. Und er zeigt, wie sich Innovation und Verantwortung in Einklang bringen lassen.

Wer heute KI in der Verwaltung einführen will – ob in der Fachabteilung, der IT oder auf strategischer Ebene – sollte diesen Standard kennen, anwenden und bei Bedarf erweitern. Nur so gelingt der nächste Schritt in Richtung einer digitalen Verwaltung, die nicht nur effizient, sondern auch gerecht und vertrauenswürdig ist.




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